Innere und äußere Konflikte bewältigen wir vor allem dann gut, wenn wir wissen wofür wir stehen, was wir wollen und was wir nicht wollen. Wir ersparen uns Dramen, Krankheiten und Stress. Wir tun Dinge, die uns gut tun. Die anderen lassen wir weg.
Der Weg zur Selbsterkenntnis ist kostenlos und jederzeit verfügbar. Es reicht eines zu tun: sich selbst zuhören. Gerne auch mehr als den ganzen Ablenkungen da draußen. Die eigenen Stimmen sind oft leise, doch meistens sehr wichtig für uns. Oft bereuen Menschen im Nachhinein Situationen: „Hätte ich mir mal besser selbst zugehört!“
Menschen, die sich selbst besser kennenlernen möchten können sich das System der Arbeit mit Persönlichkeitsanteilen zunutze machen. Ich selbst habe ganz wunderbare Erfahrungen mit dieser „Technik“ gemacht. Die meisten Menschen übernehmen diese Art der (inneren) Arbeit sehr leicht und intuitiv.
Selbst schon ohne jegliches Wissen über die Möglichkeiten dieser inneren Arbeit nutzen viele von uns Formulierungen, die schon im Ansatz auf die Arbeit mit inneren Anteilen hindeuten, z.B.: Ein Teil von mir will dieses, ein anderer Teil will jenes; zwei Seelen in meiner Brust; ein verletzter Teil in mir, ich stehe mir selbst im Weg… Persönlichkeitsanteile, mit denen die meisten von uns etwas anfangen können, sind bspw. der innere Kritiker, das innere Kind, der innere Schweinehund und der innere Perfektionist.
Generell können wir uns unsere Persönlichkeitsanteile wie Persönlichkeiten vorstellen: mit eigenem Aussehen, einer eigenen Geschichte, Charakter, Wertemustsr, Überzeugungen. Wir können uns ihnen in der Innenschau zuwenden wie richtigen Menschen, für die wir uns interessieren. Wir können ihnen begegnen, sie besser kennenlernen, sie verstehen lernen und sie entwickeln – und wir uns mit ihnen.
Anteile sind nicht immer alle aktiviert. Die meisten sogar nicht. Nur in bestimmten Situationen treten sie auf und manchmal so stark, dass wir uns komplett mit ihnen identifizieren. Wir sind dann diese Anteile, wir sind gestresst, sind getrieben, sind wütend, etc. Der berühmte Tunnelblick. Es ist ganz typisch für Anteile, dass deren Sicht eher einseitig ist. Wenn wir so mit ihnen verschmelzen, dann sollten wir versuchen uns von ihnen zu ent-identifizieren. Die teils zerstörerische Wucht der Energie aus den Anteilen relativiert sich. Wir sind nicht nur wütend, wir merken: ich spüre Wut in mir, ein Teil in mir ist wütend, es gibt aber noch andere Teile, deren Blick nicht ganz so eingeengt ist und die noch mehr Handlungsoptionen erkennen. Nur das ist schon ein ganz wesentlicher Punkt für die Selbstführung im Alltag.
Prinzipien für die Arbeit mit inneren Anteilen.
Für die Arbeit mit inneren Anteilen gibt es ein paar wesentliche Prinzipien, die beachtet werden sollten. Diese erläutere ich im Folgenden.
1. Anteile können wir nicht loswerden…
Wie schön wäre es doch, den inneren Kritiker doch einfach mal loszuwerden. Niemand meckert mehr in mir und verdirbt mir meine Laune. Doch Achtung! Das ist ein bekanntes inneres Spiel. Denn wer ist es, der den Kritiker loswerden will? Dahinter steckt ein anderer Anteil in uns, der auf den Kritiker reagiert. Genervt oder auch ganz anders: z.B. minderwertig, nach dem Motto „Ich kann nichts.“ oder „Ich mache es niemandem recht.“
Anteile können wir nicht loswerden. Wir können sie aber entwickeln und uns mit ihnen verändern. Jeder Anteil hat seine Talente und Ressourcen, die wir am Ende auch niemals loswerden möchten. Indem wir die Anteile entwickeln, können diese sich im positiven Sinne in uns entfalten, in ihre Kraft kommen – und wir damit in unsere.
2. Wie kann ich Anteile erkennen?
Es gibt eine Qualität in uns, unsere wahre Essenz, die nicht verschmolzen ist mit einem Anteil. Schwartz spricht vom „Selbst“ und meint damit die beobachtende Qualität, die nicht identifiziert ist mit irgendwelchen Anteilen. Das Erstaunliche, was Schwartz und andere Psychotherapeuten beschreiben, die teilweise ja schon seit Jahrzehnten mit IFS arbeiten: Menschen unabhängig von Herkunft, Religion oder Bildungsweg berichten immer wieder gleich, wie sie diesen Zustand im Selbst erleben.
Wir spüren eine wahre Offenheit für das, was wir in uns erleben, wir spüren Neugierde und Interesse für unsere Teile – Wohlwollen, Mitgefühl und Dankbarkeit.
Von Hier aus können wir ganz gut erkennen, ob ein Anteil aktiviert ist oder wir sogar mit einem Anteil „verschmolzen“ sind.
3. Anteile arbeiten auf Augenhöhe
Wir haben bereits gelernt, dass wir Anteile in uns nicht loswerden können. Anteile blockieren, wenn wir bzw. ein Anteil in uns abwertend, genervt, wütend oder ähnlich auf sie reagieren.
Sie sind aber kooperativ, wenn wir ihnen wertschätzend begegnen, auf Augenhöhe, und mit Interesse, dass wir uns zum Wohle aller verändern.
4. Arten von Anteilen
Wir kennen unterschiedliche Arten von Anteilen. Die zwei großen Kategorien sind beschützende oder beschützte Anteile.
Beschützende Anteile:
Beschützende Anteile stecken hinter unseren Wutausbrüchen. Oder sie treiben uns an bis zur totalen Erschöpfung zu arbeiten. Oder sie stecken hinter unserem Verhalten, mit dem wir um jeden Preis Konflikte vermeiden wollen. Oder sie führen uns dazu, dass wir uns schnell ablenken lassen oder vor bestimmten Situationen immer wieder weglaufen. Sie wollen vermeiden, dass wir bestimmte Gefühle fühlen, um jeden Preis.
Beschützende Anteile denken, dass wir immernoch ein beschützenswertes Kind sind und kämpfen für uns. Dafür wenden sie Methoden an, die aus unserer heutigen erwachsenen Perspektive teilweise sogar völlig unangebracht sind. Sie können uns das Leben teilweise schwer machen, oder zumindest bestimmte Situationen. Für sie geht es teilweise ums Überleben, auch wenn das übertrieben klingen mag. Ihre Sicht ist da meist sehr einseitig.
Transformation passiert dann, wenn unser Anteil wirklich wirklich spürt, dass wir uns heute tatsächlich kümmern können und dass er sich gar nicht mehr so dolle anstrengen muss. Alles verändert sich, wenn der beschützende Anteil sich mehr entspannen kann. Dann beginnt er sich anders zu verhalten. Er treibt uns nicht mehr an, Dinge zu tun, die aus heutiger Sicht nicht mehr Sinn machen.
Beschützte Anteile:
Beschützte Teile sind diejenigen mit Verletzungen. Diese kommen meist auch aus der Kindheit. Sie kommen aus Momenten, in denen wir tatsächlich ausgeliefert waren und gefühlt haben, wie wir uns nie wieder fühlen möchten. Hier liegt Traurigkeit, Ohnmacht, Scham, Angst… Auch sie wissen nichts davon, dass wir heute erwachsen sind und wir mehr aushalten können als früher. Dass wir heute längst nicht mehr so ausgeliefert sind wie damals als Kind. Sie sind sozusagen festgefroren in der Vergangenheit. Wir können sie erreichen und ihnen zeigen, dass wir nicht mehr ausgeliefert sind. Wir können ihnen auch das geben, was sie seit ihrer Existenz benötigen. So können wir sie heilen und entlasten. Wir nehmen ihnen die Schwere.
5. Unsere Anteile meinen es immer gut mit uns
Wichtig ist, dass wir darauf vertrauen und wissen, dass es unsere Anteile immer gut mit uns meinen. Immer! Ihre Methoden, wie Sie für uns kämpfen oder leiden, mögen komisch sein und in unserem heutigen Leben dysfunktional und kontraproduktiv. Aber wenn wir ihnen begegnen, dann beginnen wir ihre Arbeit und Anstrengungen zu verstehen. Wir können sie wertschätzen. Nicht unbedingt für das, was sie in unserem Leben anrichten. Aber definitiv für ihre Absichten, die immer die besten sind. Anteile sind -immer- kooperativ mit uns.
6. Arbeiten mit Anteilen im Hier und Jetzt
Die Arbeit mit Anteilen findet immer im Hier und Jetzt statt. Wir treiben keine intellektuellen Gedankenspiele. Wir begegnen unseren Anteilen im Hier und Jetzt. Nur hier ist ein echter innerer Dialog möglich. Anders denken wir nur über sie nach.
7. Raum der Selbstliebe
Wenn wir absolut und einseitig denken, dann sind wir mit unseren Anteilen identifiziert. Unser Denken und Fühlen ist eingeengt. Wir sind dann nur noch wütend, gestresst oder ohnmächtig – je nach aktiviertem Anteil.
Die Kunst ist dann uns von diesem Anteil zu ent-identifizieren und den Anteil sozusagen zu ertappen, zu erkennen, eine Distanz zu ihm aufzubauen. So schaffen wir einen Raum, in dem wir mit dem Anteil arbeiten können. Wir sind dann nicht mehr ganz wütend, oder gestresst, oder getrieben. Ich spüre nur die Wut in mir, den Stress, Getriebenheit. Das kann ein wahrer Augenöffner für den Alltag sein.
Das ist auch eine neue Sicht auf das Wort Selbst-Liebe. Wir akzeptieren unsere Anteile und von hier aus verändert sich alles.
Für den Alltag bedeutet das: wir erkennen welche Anteile gerade aktiviert sind und beginnen mit ihnen zu arbeiten. Hier beginnt die Meisterschaft der Liebevollen Selbstführung…
Viel Freude beim sich selbst zuhören!
Hier geht es zum Kurs Innere Antreiber: Wer treibt mich da?