Die Chance in der Corona-Krise – Wie wir nun das Neue in unser Leben ziehen

Was passiert mit uns, jetzt mitten in der Corona-Krise? Die Natur reißt uns plötzlich aus unseren Hamsterrädern heraus und schickt uns nach Hause. Was machen wir hier? Drehen wir weiter am Rad? Checken wir ständig die Nachrichten und sind schon ganz wirr von dem Mix an Gefühlen der Angst und Unsicherheit? Oder gibt es noch einen anderen Weg mit der besonderen Situation umzugehen?

Matthias Horx schreibt in seinem wunderbaren Artikel „Die Welt nach Corona“:

„Die Welt »endet«, aber in der Erfahrung, dass wir immer noch da sind, entsteht eine Art Neu-Sein im Inneren… Mitten im Shut-Down der Zivilisation laufen wir durch Wälder oder Parks, oder über fast leere Plätze. Aber das ist keine Apokalypse, sondern ein Neuanfang.“

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Dieses Neue möchte entstehen. Es brauchte jetzt vielleicht ein solches drastisches „Durchrütteln der Welt“, damit wir Menschen bereit und in der Lage sind, das Neue zu erkennen. Wir mögen weit gereist sein, viel erlebt, viel nachgedacht, investiert und konzipiert haben. Doch die Natur schickt uns wortwörtlich nach Hause, um die Antwort auf das Neue zu finden. Sie hält die Hamsterräder und den Wettlauf an. Das Gefühl, dass jeder von uns betroffen ist, schweißt uns sogar mit den Konkurrenten zusammen. Auf einmal sitzen wir alle im gleichen Boot, verbunden in der gleichen Mission, verantwortlich für den gleichen Auftrag.

Charles Eisenstein erläuterte in seinem jüngsten Interview im Rahmen des Pioneers of Change Summits 2020 die Weltsicht des „Interbeings“, welche sich auch aus den Ausführungen von Thich Nhat Han ableiten lassen.

Die Welt ist ein lebendiger Organismus.

Jede Pflanze, jedes Tier, jeder Stein und jeder Mensch ist Teil dieses lebenden Organismus. So wie unsere Organe im menschlichen Körper, hat jedes Organ der Erde seinen eigenen Platz und seine eigene Aufgabe. Wenn wir die Welt als lebendigen Organismus begreifen und sehen, dass jeder einzelne von uns ein Teil dieses Organismus ist, dann kann sich niemand mehr von uns aus der Verantwortung ziehen. In einem Organismus kommt es auf die gesunde Entwicklung einer jeden einzelnen ZELLE an. Wir wissen alle, was passiert, wenn sich ungesunde Zellen nicht mehr heilen können.

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Wir können nicht sicher sein, was Wissenschaft und Konzepte sagen, ob alles wahr ist oder morgen doch wieder widerlegt wird. Für alle Argumente gibt es Gegenargumente. Auch Corona ist nun umgeben von Wissenschaftlern und Statistikern. Die Forschung gibt sich alle Mühe den Impfstoff zu finden und der Rest der Bevölkerung scheint auf die Rettung zu warten. Doch das Neue wird nicht aus der Wissenschaft kommen.

Statt im Internet die neuesten Zahlen zu verfolgen und uns mit weiteren unbeeinflussbaren Nachrichten berieseln zu lassen, können wir in unserem Wohnzimmer die Füße auf den Boden stellen und tief in unser Herz hinein hören.

Zwangsgestörte Patienten werden mit „Exposition mit Reaktionsverhinderung“ behandelt. Handelt es sich bspw. um einen Waschzwang, so wird der Patient dazu angehalten, sein Waschritual nicht durchzuführen und seine innere Angst einfach ansteigen zu lassen. Er macht die Erfahrung, dass seine Angst zum verrückt-werden ist. Der Therapeut begleitet ihn in diesem Prozess und ermutigt ihn nicht wie sonst immer mit seinem rettenden Waschritual zu reagieren. Nach einer Weile merkt der Patient, dass seine vielen Befürchtungen nicht eingetreten sind. Die Welt dreht sich weiter und er lebt noch. Erleichterung tritt ein und: Freiheit. Frei vom Zwang, vom fremden Antrieb und von sinnlosen Befürchtungen. Es wird ruhig und ein neues Leben darf beginnen.

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Vielleicht können wir die Menschheit mit diesem zwangsgestörten Patienten vergleichen. Wir als ein Teil des Organismus fühlten uns bisher gezwungen ein Ritual durchzuführen, das eigentlich keinen Sinn macht. Wir mussten ein System aufrechterhalten, dass bei Einbruch angeblich unser aller Leben bedrohen würde. So haben wir stets auf die gleiche Weise reagiert.

Doch die Welt bricht ein, die Börse crasht, Urlaube werden gestrichen, unsere Arbeit geht verloren, Pläne werden zerstört… und: die Erde dreht sich weiter. Wie wir von den Messungen der Wissenschaft erfahren, geht es der Erde sogar so gut wie schon lange nicht mehr. Welche Konsequenzen ziehen wir Menschen daraus?

Wir können uns fragen, was unser Platz im Organismus eigentlich wirklich ist. Worauf beziehen sich eigentlich unsere Angst und unsere Unsicherheit? Möchten wir wirklich ein System aufrechterhalten, dass der Erde offensichtlich nicht gut tut? Oder möchten wir anders leben, gesünder für uns und für den Rest des Organismus, zu dem wir gehören?

Welchen Auftrag haben wir – bis auf die ganz individuelle Ebene herunter gebrochen? Wie tragen wir zu unserer eigenen Heilung bei und damit auch zur Heilung des gesamten Organismus? Wie können wir innerhalb unseres eigenen Einflussbereiches gesund auf uns und das Umfeld unserer Liebsten zu Hause einwirken? Wie finden wir persönlich unser Feld der Kohärenz in uns selbst und füreinander. Wie stehen wir im Dienst an unserem ganz persönlichen Platz in der Welt? Wie öffnen wir uns für die Synchronizität, die uns zeigt, wie verbunden wir wirklich miteinander sein?

Unsere gewohnten Ablenkungen eines nicht mehr hinterfragten Lebensstils sind heruntergefahren, wir befinden uns in „Exposition mit Reaktionsverhinderung“. Das ist eine wunderbare Chance. In einer Zeit, in der alles anders ist als bisher, können wir auch beginnen neu zu denken, neu zu fühlen und neu zu handeln. Und falls wir hier Begleitung benötigen, können wir diese online und virenfrei organisieren.

Wir haben nun die Zeit für die großen Fragen. Das Neue entsteht nicht irgendwo dort draußen in fernen Ländern oder preisgekrönten Laboren. Es ist direkt da, wo wir aus dem Hamsterrad aussteigen. Ein Moment des Innehaltens, Hinterfragens und der Neuorientierung kann uns jetzt wesentliche Antworten geben. Dieses Mal lenken wir uns nicht ab von uns selbst. Von zu Hause bringen wir das Neue in die Welt. Vielleicht beginnen wieder an Wunder zu glauben und zu sehen, dass wir selbst diese Wunder sind.

2 Gedanken zu “Die Chance in der Corona-Krise – Wie wir nun das Neue in unser Leben ziehen

  1. Isabelle Delling

    Liebe Tanja, Du schreibst berührend. Mich berührt die Art und Weise Deines Schreibens. Deine Worte bewegen mich. Und ich erinnere mich, während ich Deine Zeilen lese, an weise Worte von Friedrich von Weizsäcker, vor vierzig Jahren, wo er über den vom Herzen geleiteten Verstand spricht und dafür plädiert, seine Worte mit dem Herzen zu verbinden. Oder Albert Camus, der schrieb, dass es nur eine Möglichkeit gibt, die Pest zu bekämpfen: die Ehrlichkeit. Es sind unterschiedliche Zitate und sie gehören doch zusammen. Weil sie beide über die Welt schreiben, die in uns ist. Die Welt ist in uns. Und wir sind in der Welt. Eisenstein nennt es Organismus. Wir werden in dieser Krise mit unserer Ehrlichkeit und Verwundbarkeit konfrontiert. Mit der Verwundbarkeit der Welt. Und viele verbinden sich jetzt wieder mit ihrem Herzen. Und den Herzen ihrer Mitmenschen. Bei allen Ängsten, Zwängen und Traumata, die uns persönlich und als Gesellschaft begegnen- wir tun es. „Zwangsläufig“ 😉 … auch ich hoffe darauf, dass die Krise eine Chance ist. Ich danke Dir von Herzen für Deinen wunderbaren Artikel❤️

    1. Tanja

      Danke Isabelle, das sind auch wunderbare Ergänzungen. Wenn wir unsere eigene Verwundbarkeit und nicht wegschauen, nichts abwehren, dann sind wir möglicherweise auf einem guten Weg. Als einzelne und als Menschheit…

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